Auslandsarbeit oder Daheimbleiben? Karriereentscheidungen für junge Aktuar:innen

Vorteile einer Auslandstätigkeit
Breiterer Marktzugang und Signalwirkung: Internationale Positionen ermöglichen Einblicke in unterschiedliche Regulierungsrahmen, Preisphilosophien und Asset-Liability-Praktiken – Erfahrungen, die bei der Besetzung von Führungsrollen häufig positiv ins Gewicht fallen. Studien zeigen zudem, dass Auslandsaufenthalte oft mit höheren Einstiegsgehältern und schnellerem Zugang zu globalen Unternehmen verbunden sind, auch wenn der Effekt stark vom individuellen Profil und den jeweiligen Märkten abhängt.
Starke Nachfrage in vielen Ländern: Laut Daten der OECD und anderer internationaler Organisationen hat die Beschäftigung von Migrant:innen in den letzten Jahren Rekordhöhen erreicht. Das weist auf eine anhaltend hohe Nachfrage nach international mobilen Fachkräften hin – auch nach Aktuar:innen.
Attraktive Vergütungspakete: Viele Unternehmen gewähren nach wie vor Auslandspremien, steuerliche Unterstützung und Lebenshaltungskostenzuschüsse. Diese können die Gesamtvergütung deutlich erhöhen – wobei der konkrete Vorteil stark von der Struktur des Pakets (home-based, host-based oder split pay) abhängt.
Nachteile einer Auslandstätigkeit
Hohe Lebenshaltungskosten: In beliebten Städten wie London, Zürich oder Singapur können steigende Kosten Gehaltsvorteile schnell relativieren, wenn Zulagen nicht passend ausgestaltet sind. Es ist daher entscheidend, die tatsächliche Kaufkraft nach Steuern und Wohnkosten realistisch einzuschätzen.
Politische und visabezogene Hürden: Arbeitsmöglichkeiten im Ausland hängen stark von den jeweiligen Visa-Bestimmungen und Einwanderungspolitiken ab, die sich kurzfristig ändern können. Ein heute attraktives Zielland kann morgen neue Beschränkungen einführen.
Risiko bei der Rückkehr: Die Rückkehr ins Heimatland gestaltet sich oft schwieriger als gedacht. Netzwerke können sich verändert haben, und internationale Erfahrung wird nicht immer so hoch bewertet, wie erwartet. Ein klarer Plan mit dem Arbeitgeber für die Rolle nach der Rückkehr ist daher unerlässlich.
Daheimbleiben: Das Argument der inhaltlichen Tiefe
Glaubwürdigkeit als Spezialist:in: Wer im Heimatmarkt bleibt, baut gezielt Expertise in lokalen Themen wie Altersvorsorge, Krankenversicherung oder regulatorischer Compliance auf. Das signalisiert Fachkompetenz und Verlässlichkeit.
Begrenzte Perspektiven: Ist der Markt klein oder stark konzentriert, können sich Grenzen beim Zugang zu Führungspositionen oder internationalen Rahmenwerken schneller zeigen.
Clevere Alternativen für junge Aktuar:innen
- Kurzzeiteinsätze oder Secondments (3–12 Monate): Internationale Erfahrung sammeln, ohne vollständig umzusiedeln.
- Grenzüberschreitende Remote-Rollen: Internationale Projekte ohne Umzug – ein Modell, das insbesondere während der Pandemie an Bedeutung gewann.
- Regionale Hubs: In einer Stadt mit moderaten Kosten leben und gleichzeitig mehrere Märkte abdecken.
- Projektbasierte internationale Arbeit: Engagement in Projekten wie globalem Reporting, Rückversicherung oder M&A – auch vom Heimatmarkt aus.
- Auslandsstudium oder Weiterbildung: Kurze akademische oder berufliche Aufenthalte (z. B. Prüfungsmodule, Sommerakademien, internationale Konferenzen) schaffen globale Perspektiven bei geringerem Umbruch.
Praktische Checkliste für junge Aktuar:innen
- Karrierekapital: Welche Fähigkeiten steigern Ihren langfristigen Wert am meisten – regulatorische Breite, Führungsstärke im Modellieren oder Managementerfahrung?
- Netto-Ökonomie: Gesamtvergütung realistisch gegen Gesamtkosten (Steuern, Miete, Schule, Wohnen) abwägen.
- Visa-Stabilität: Prüfen, wie verlässlich der Aufenthalts- und Arbeitsstatus für dich und deine Familie ist.
- Exit-Option: Einen klaren Plan für Rückkehr oder nächsten Karriereschritt sichern.
- Netzwerkstrategie: Kontakte sowohl lokal als auch international kontinuierlich pflegen.
Fazit
Ein Auslandseinsatz kann jungen Aktuar:innen einen erheblichen Karriere-Impuls geben – vorausgesetzt, Vergütungspaket, Lernchancen und Exit-Plan sind klar definiert. Gleichzeitig bietet auch das Daheimbleiben große Vorteile, wenn es etablierte Wege für Spezialisierung und Führungsverantwortung gibt. Oft erweist sich ein schrittweises Vorgehen als klügste Strategie: zunächst durch Kurzzeitprojekte oder Weiterbildungen internationale Erfahrung sammeln – und dann über einen Umzug nachdenken, sobald der Mehrwert klar erkennbar ist.