Grenzübergreifendes Arbeiten aus dem Homeoffice

Herr Krischanitz, Sie sind Senior Manager bei Milliman mit einer internationalen Ausrichtung. Was sind genau Ihre Aufgaben?
Milliman hat im Mai 2020 einen neuen Standort in Österreich eröffnet, um die Präsenz in Europa weiter zu verstärken. Die deutschsprachigen Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz arbeiten dabei sehr eng zusammen, und diese breitere Aufstellung zeigt auch schon große Erfolge. Meine Aufgabe ist es einerseits den österreichischen Markt zu servicieren und das internationale Know-how, das Milliman auszeichnet nach Österreich zu bringen und andererseits die Milliman Kompetenzen in Deutschland um die Dimension des Nichtleben-Geschäfts zu erweitern.
Sie sitzen physisch in Ihrem Homeoffice oder in Ihrem Büro in Wien. Insbesondere bezogen auf Ihre Tätigkeiten im deutschen Markt, wie wichtig ist eine gewisse räumliche Nähe für Ihre Arbeit derzeit überhaupt noch?
Aktuarielle Beratung ist sehr eng mit gegenseitigem Vertrauen verbunden. Vertrauen in die Kompetenz, Vertrauen in die Seriosität, Vertrauen in die Zuverlässigkeit. Wenn dieses Vertrauen einmal hergestellt ist, spielt die räumliche Nähe keine große Rolle mehr, aber um dieses Vertrauen aufzubauen oder zu verstärken ist eine gewisse räumliche Nähe – sprich eine Begegnung Mensch zu Mensch – unabdingbar. Die Projektarbeit selbst lässt sich wunderbar aus der Ferne erledigen.
Gibt es Themenbereiche oder Fragestellungen, die aus Ihrer Sicht – selbst im Bereich der aktuariellen Beratung – zukünftig überhaupt keine „vor Ort“-Tätigkeit mehr erfordern könnten?
Die Praxis zeigt, dass remote-Arbeit wunderbar funktioniert. Bei vielen Kunden haben wir seit bald zwei Jahren nur sehr eingeschränkten Zugang zu den Räumlichkeiten, die Projekte haben darunter nicht wesentlich gelitten. Es zeigen sich sogar Vorteile für beide Seiten, die im Wesentlichen aus der Einsparung der Reisekosten als auch der Reisezeit resultieren.
Sie haben inmitten der Coronapandemie Ihre Stelle angetreten. Wie haben Sie den Einstieg empfunden?
Für mich persönlich war da so ein Goldgräber-Feeling. Bei meinem Einstieg gab es kein Büro in Wien, es war Lockdown in Österreich, alles was ich hatte war ein Mobiltelefon und ein Notebook. Ich startete in meinem Keller, alleine in einem neuen Markt und hatte keine Möglichkeit auf die Außenwelt zuzugehen. Das war schon ein spannender Moment. In dieser Zeit habe ich die sozialen Medien sehr zu schätzen gelernt.
Was ist Ihre Einschätzung: Wie wird sich die Arbeitswelt – vor allem räumlich – speziell für Aktuarinnen und Aktuare, Risikomanager und Data Scientists in den nächsten Jahren entwickeln und welches Arbeitsmodell präferieren Sie für sich persönlich?
Die Pandemie hat uns gezwungen, die zuvor so verpönte Telearbeit, das Home-Office, zu institutionalisieren. Mittlerweile bestreitet kaum noch mehr, dass diese Form der Arbeit viele Vorteile bringt. Gerade in Deutschland, wo die Versicherungsbranche geografisch so weit gestreut ist, ist es nun möglich Ressourcen aus anderen Teilen Deutschlands, oder aber auch Europas für sich nutzbar zu machen. Diese Vorteile wird man sich zu erhalten trachten. Ich gehe also von einem Arbeitsmodell aus, das einen großen Anteil an Home-Office beinhalten wird. Für einen Familienvater im Consulting wie mich bringt das eine zusätzliche Qualität an gewonnener Nähe zur Familie.
Wird das „new normal“ auch einen größeren Einfluss auf die Wahl des Arbeitgebers haben? Werden sich die Mitglieder des Berufsstands eventuell sogar schrittweise noch viel stärker internationaler orientieren – ohne gleichzeitig einen Umzug ins Ausland einzuplanen?
Angebotsseitig bietet der aktuelle Arbeitsmarkt für Aktuare derzeit schier unendliche Möglichkeiten. Schon bisher haben sich Aktuare auch über die Grenzen hinaus beworben, dieser Trend ist aber jetzt noch deutlich stärker geworden und die Heimadresse hat an Bedeutung verloren. Junge Menschen fordern die neugewonnene Work-Life-Balance mittlerweile auch regelrecht ein und die Frage nach der Home-Office Regelung im Unternehmen kommt meist vor der Frage nach dem Gehalt. Daraus können Arbeitgeber Profit ziehen, wenn sie sich dementsprechend aufstellen.
Zuletzt noch eine private Frage: Was machen Sie in Ihrer Freizeit als Ausgleich zu Ihrer beruflichen Tätigkeit?
Der ideale Ausgleich zu einer sehr kopflastigen sitzenden Arbeit ist körperliche Bewegung an der frischen Luft. Ich gehe regelmäßig mehrmals die Woche Laufen, ergänze ab und zu mit Radfahren und freue mich im Frühjahr schon auf die ersten Gartenarbeiten.