Versicherungsmathematische Berechnungen in Excel und Python – eine flexible Lösung aus der Praxis

Aktuarielle Berechnungen schnell, intuitiv und leistungsfähig umsetzen? Komplexe Anforderungen und technischer Aufwand machen dies in der Praxis oft schwierig. Eine schlanke Lösung kann hier Abhilfe schaffen: unmittelbare Nutzung versicherungstechnischer Funktionen in Excel und Python, modulare Erweiterbarkeit und performante Berechnung auch großer Datenmengen. Dieser Beitrag zeigt, welche Eigenschaften eine moderne Lösung erfüllen sollte und wie sich diese Anforderungen praxistauglich umsetzen lassen.
Veröffentlicht am 15.05.2025

Gastbeitrag von Dirk Nötzel, Leiter Geschäftsfeld Versicherungstechnik/Migration und Principal bei Cominia Aktuarielle Services 

Typische Herausforderungen im Projektalltag von Aktuaren

In der Praxis aktuarieller Kundenprojekte gibt es die unterschiedlichsten Anforderungen, versicherungstechnische Werte zu ermitteln. Die Aufgaben reichen von der Berechnung tariflicher Größen wie Tarifbeiträgen oder Deckungskapitalen zur Validierung aktuarieller Tests bis hin zu spezifischen Analysen wie der Ermittlung der Lebenserwartung auf Basis bestimmter Sterbetafeln. Darüber hinaus gilt es oftmals, die Auswirkungen verschiedener Produktparameter – etwa Zinsänderungen, Sterbetafelwahl oder Unisex-Mischungen – transparent darzustellen. Auch die effiziente Generierung großer Mengen an Trainingsdaten für datengetriebene Modelle gewinnt zunehmend an Bedeutung.

Traditionell greifen Versicherer und deren Aktuare für solche Aufgabenstellungen auf umfassende Referenzrechner-Frameworks zurück, die üblicherweise auf Technologie-Stacks wie Java oder APL basieren. Diese Systeme bieten hohe Leistungsfähigkeit und sind in umfassende Testsysteme eingebunden. Gleichzeitig sind sie für die oben genannten Anforderungen technisch oft überdimensioniert und mit erheblichem Aufwand für Installation, Betrieb und Wartung verbunden – für viele Aufgabenstellungen entsteht dadurch ein Missverhältnis zwischen Nutzen und Aufwand.

Gerade in der Praxis des aktuariellen Tests oder beim schnellen Prototyping sind daher flexiblere, schlankere Werkzeuge gefragt, die ohne große technische Einstiegshürden auskommen.

Welche Eigenschaften sollte eine gute Lösung bieten?

Unsere langjährige Praxiserfahrung in der Versicherungstechnik sowie in der Entwicklung individueller Softwarelösungen hat deutlich gemacht, was Anwender benötigen: Eine praxisgerechte Lösung sollte versicherungstechnische Funktionen unmittelbar bereitstellen, ohne komplexe Einrichtung oder zusätzliche Abhängigkeiten.

Funktionsnamen und Parameter sollten intuitiv verständlich und konsistent gestaltet sein, sodass eine sofortige Nutzung möglich wird. Alle versicherungsmathematisch relevanten Größen – wie Sterbewahrscheinlichkeiten, Absterbeordnungen, Kommutationswerte und Barwerte – sollten in flexibler, parametrisierbarer Form bereitstehen. Die Anpassung zur Laufzeit ohne Codeanpassung ist dabei ein zentraler Erfolgsfaktor, ebenso wie die Balance zwischen Anpassbarkeit und einfacher Bedienung.

Darüber hinaus ist die Integration in gängige Arbeitsumgebungen essenziell. Excel – das Standardwerkzeug vieler Aktuare – sollte erweiterte Funktionen erhalten, die sich nahtlos in die gewohnte Bedienlogik einfügen. Gleiches gilt für Python, das insbesondere im Datenumfeld an Bedeutung gewinnt.

Ergänzt werden sollte das Ganze durch eine verständliche, transparente Dokumentation, die Vertrauen in die fachliche Korrektheit schafft und konkrete Anwendungshilfen bietet.

Ein praxiserprobter Ansatz: PyXAL – einfach, flexibel, performant

Auf Basis dieser Anforderungen wurde bei Cominia die Lösung "PyXAL" (Python Excel Actuarial Library) entwickelt. Ziel war es, eine praxisnahe Alternative zu komplexen Systemen zu schaffen, die sich flexibel und performant in aktuelle Arbeitsprozesse einbinden lässt.

Herzstück ist ein leistungsfähiger Rechenkern in C, der modular aufgebaut ist und alle relevanten versicherungstechnischen Berechnungen umfasst.

  • Sterbewahrscheinlichkeiten werden aus den Grundtafeln ermittelt und lassen sich durch Parameter wie Unisex-Mischung oder Zuschläge anpassen.
  • Darauf aufbauend werden Absterbeordnungen und Kommutationswerte berechnet.
  • Abschließend folgen spezifische Barwerte für verschiedene Produktarten (z. B. BU-, Pflege-, Todesfall- oder Rentenversicherung).

Durch optimierte Caching-Mechanismen sind auch große Datenmengen effizient verarbeitbar. Die Architektur erlaubt zudem einfache Erweiterungen um neue Tafeln oder Funktionen.
Ein weiteres Merkmal ist die flexible Steuerung zur Laufzeit: Änderungen an Rundungsregeln, Modifikationen von Tafeln oder Berechnungslogik können direkt über Parameter und Properties gesteuert werden – ohne Eingriffe in den Code. Auch das dynamische Einbinden neuer Tafeln ist jederzeit möglich, ohne dabei die Komplexität der Anwendung zu erhöhen.

Nahtlose Integration in Excel und Python

Einer der Kernpunkte von PyXAL ist, dass die Berechnungen sowohl in Excel als auch in Python nahtlos genutzt werden können.

Für Excel wird PyXAL als COM-Addin bereitgestellt, das sich in Aussehen und Bedienung kaum von den Standardfunktionen unterscheidet. Aktuare profitieren somit unmittelbar von Intellisense-Unterstützung, Funktionsassistent und einer verknüpften Dokumentation, die direkt aus Excel abrufbar ist. Erweiterungen und Anpassungen sind dabei besonders einfach: Updates der Berechnungsfunktionalitäten oder neue Tafeln erfordern lediglich den Austausch der Rechenkern-DLL, ohne dass der Anwender selbst aktiv werden muss.

 

 

 

Parallel wird PyXAL über einen speziell entwickelten Wrapper als Python-Modul bereitgestellt. Damit erhalten Aktuare Zugang zu einer leistungsfähigen und flexiblen Python-Bibliothek, die sämtliche Funktionen des Rechenkerns bereitstellt. Dies ist besonders wertvoll in datenorientierten Anwendungsfällen, etwa bei der Erstellung von Machine-Learning-Datensätzen oder bei umfangreichen analytischen Auswertungen.

 

 

 

Vertrauen durch professionelle Dokumentation

Eine klare und umfassende Dokumentation ist für die Akzeptanz jeder aktuariellen Lösung entscheidend. Anwender müssen verstehen, wie Funktionen im Detail arbeiten und wie Parameter wirken. PyXAL bietet hierzu etablierte Formate wie HTML-Hilfe und PDF, ergänzt durch praxisnahe Beispiele aus realen Projekten.

 

 

 

 

 

Ausblick: Erweiterung auf Kranken- und Pensionsversicherung

Derzeit liegt der Fokus von PyXAL auf Lebensversicherungsmathematik. Die modulare Architektur erlaubt jedoch eine unkomplizierte Erweiterung auf weitere Sparten:

  • Krankenversicherung mit spezifischen Rechnungsgrundlagen und Barwertprofilen
  • Pensionsversicherung unter Einbindung marktüblicher Tafeln wie die Heubeck-Richttafeln

Fazit – Prinzipien einer modernen aktuariellen Lösung

Moderne aktuariell-technische Werkzeuge müssen fachlich fundiert, flexibel einsetzbar und einfach wartbar sein. Nahtlose Einbindung in Excel und Python, transparente Steuerung und eine gute Dokumentation sind entscheidend für die Akzeptanz und den Einsatz in der Praxis.

Lösungen wie PyXAL zeigen, dass schlanke Werkzeuge eine echte Alternative zu komplexen Systemen darstellen können.

Nutzen Sie unsere Erfahrung – und entdecken Sie, warum weniger Komplexität und mehr Praxisnähe oft der bessere Weg sind.

Factsheet

Technologie

  • Rechenkern: C, C++
  • COM Add-in: C#
  • Python

Statistik

  • 130 implementierte Tafeln (Todesfall, BU, Pflege)

  • 60 verfügbare versicherungsmathematische Funktionen (Ausscheidewahrscheinlichkeiten, Absterbeordnungen, Kommutationswerte, Barwerte)

Ansprechpartner

Dirk Nötzel
Leiter Geschäftsfeld Versicherungstechnik/Migration, Principal

Mit seiner langjährigen Erfahrung in den Bereichen Produktentwicklung, Versicherungstechnik und Bestandsmigrationen und seinem fundierten aktuariellen Wissen unterstützt Dirk Nötzel Versicherungsunternehmen dabei, ihre Tariflandschaft effizient, zukunftssicher und mathematisch präzise zu entwickeln und versicherungstechnisch abzubilden.

Email: dirk.noetzel@cominia.de
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Dr. Björn Medeke
Geschäftsführer

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