Risiken softwarebasierter Effizienz in der Versicherungsbranche

Kein Risiko, keine … digitale Effizienz? Während Big Data Analytics, LLMs und andere KI-gestützte Tools die Prognosegenauigkeit und Gesamteffizienz der aktuariellen Arbeit verbessern können, nehmen auch die (Cyber-)Risiken zu – insbesondere in der Versicherungsbranche. Grund genug, häufige Bedrohungen zu analysieren und Praxisbeispiele zu beleuchten.
Veröffentlicht am 19.05.2025

1. Schwachstellen in der Cybersicherheit

Die Integration fortschrittlicher Softwaresysteme erhöht die Anfälligkeit für Cyberangriffe. Ein bemerkenswertes Beispiel ist der Cyberangriff auf Marks & Spencer (M&S) über das Osterwochenende 2025. Der Vorfall führte zur Aussetzung der Online-Dienste, zur Kompromittierung von Kundendaten und zu geschätzten Einnahmeverlusten in Höhe von 60 Millionen Pfund. Der Aktienkurs von M&S sank um 16 %, was über 1,3 Milliarden Pfund an Marktkapitalisierung vernichtete. Das Unternehmen plant, bis zu 100 Millionen Pfund aus seiner Cyberversicherung geltend zu machen, um die Verluste abzumildern.

Darüber hinaus ist die Versicherungsbranche erheblichen Risiken durch Drittanbieter ausgesetzt. Ein Bericht von SecurityScorecard zeigt, dass 59 % der Sicherheitsverletzungen unter den 150 größten Versicherern auf Angriffe über Dritte zurückzuführen sind – ein deutlicher Hinweis auf Schwachstellen in der Datenkette der Branche.

2. Fallstricke bei KI und Automatisierung

Künstliche Intelligenz (KI) und Automatisierung können zwar Effizienzgewinne bringen, führen bekanntlich auch zu weiteren Risikobereichen. So haben fehlerhafte oder unangemessene Antworten von KI-Chatbots bereits zu unzufriedenen Kunden und möglichen rechtlichen Auseinandersetzungen geführt. Als Reaktion darauf hat Lloyd’s of London ein von Armilla entwickeltes Versicherungsprodukt eingeführt, das Unternehmen gegen Verluste durch fehlerhafte KI-Tools absichert. Diese Police deckt Anwaltskosten und Schadensersatz, falls Unternehmen aufgrund nicht leistungsfähiger KI-Systeme verklagt werden.

Auch die Anwendung von KI in der Risikobewertung und Preisgestaltung kann – bei unzureichender Kontrolle – unbeabsichtigt zu Diskriminierung führen. Die Gefahr von „Deepfakes“ in betrügerischen Schadenmeldungen verschärft die Lage zusätzlich. Es braucht deshalb eine aufmerksame Überwachung und den Aufbau ethischer KI-Rahmenwerke.

3. Herausforderungen bei Regulierung und Compliance

Die rasante Einführung digitaler Werkzeuge in der Versicherungsbranche bringt regulatorische Herausforderungen mit sich. Um sicherzustellen, dass Softwaresysteme mit den sich wandelnden gesetzlichen Anforderungen Schritt halten, sind kontinuierliche Überwachung und Anpassung notwendig. Verstöße können zu hohen Geldstrafen und Reputationsverlusten führen.

Die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA betont die Bedeutung einer sorgfältigen Bewertung der Chancen und Risiken der Digitalisierung – mit dem Ziel, regulatorische Maßnahmen zu entwickeln, die Kundenschutz und finanzielle Stabilität gewährleisten.

Auch bei der Integration von Drittanbietersoftware ist umfassende Sorgfaltspflicht geboten, um unerwartete rechtliche Risiken auszuschließen.

4. Operative Risiken und Systemzuverlässigkeit

Softwarelösungen sollen die Effizienz steigern, können jedoch bei unzureichender Implementierung auch operative Risiken mit sich bringen. Systemausfälle, Softwarefehler und Integrationsprobleme können Dienstleistungen stören und das Vertrauen der Kundschaft untergraben. Die Versicherungsbranche kämpft dabei oft mit veralteten IT-Systemen, die schwer integrierbar und kaum wartbar sind – was zu Ineffizienzen und erhöhten Ausfallrisiken führt.

Systemzuverlässigkeit erfordert kontinuierliche Investitionen in Infrastruktur, regelmäßige Tests sowie die Umsetzung bewährter Verfahren in der Softwareentwicklung und -wartung.

5. Strategisches Risikomanagement

Zur Minderung der Risiken softwarebasierter Effizienz sollten Versicherer einen strategischen Ansatz im Risikomanagement verfolgen. Dazu gehören Investitionen in Cybersicherheit, die Implementierung robuster Compliance-Strukturen sowie eine Unternehmenskultur, die kontinuierliche Verbesserung und Wachsamkeit fördert. Der Dialog mit Aufsichtsbehörden, Kund:innen und Technologiepartnern ist entscheidend, um die Herausforderungen der digitalen Transformation erfolgreich zu meistern.

Darüber hinaus sollten Versicherer Notfallpläne entwickeln und geeignete Versicherungslösungen beschaffen, um sich gegen potenzielle digitale Risiken abzusichern.

Quellen:

  1. SecurityScorecard Report
    59% of Breaches Impacting Insurance Sector Caused by Third-Party Attack Vectors
     
  2. Insurance Business
    Allianz, Beazley could be on the hook as M&S insurance claim expected to be £100m+
     
  3. Risk & Insurance
    Insurance Industry Faces Rising Third-Party Cybersecurity Risks
     
  4. The Outpost
    Lloyd's of London Launches Insurance Coverage for AI-Related Losses 
     
  5. Reuters
    AI boosts insurance tech financing but deepfakes pose risks
     
  6. EIOPA
    EIOPA report takes the pulse of digitalisation in the European insurance market