Risikomanagement unter Druck – Wie Aktuar:innen globale Instabilität meistern

Der Anstieg geopolitischer Spannungen, anhaltende Inflation sowie die systemischen Auswirkungen von Klimawandel, technologischen Entwicklungen und Konflikten verändern das Risikoverständnis auf struktureller Ebene. In diesem Umfeld geraten traditionelle Methoden des Risikomanagements unter Druck – und Aktuar:innen treten verstärkt in den Vordergrund, um Organisationen mit fachlicher Präzision und Weitblick durch die Unsicherheiten zu führen.
Veröffentlicht am 17.06.2025
Image Risk Management Guide

Jüngste weltweite Ereignisse zeigen: Geopolitische Instabilität ist kein abstraktes Konzept, sondern beeinflusst direkt Finanzsysteme, Märkte und das gesellschaftliche Vertrauen. Von militärischen Konflikten und handelspolitischer Fragmentierung über Cyberbedrohungen bis hin zu Ressourcenknappheit wächst die Liste miteinander verknüpfter Risiken stetig. Aktuar:innen leisten mit ihrem systemischen Denkansatz einen entscheidenden Beitrag, um die Risikolage von Versicherern und Finanzinstitutionen im Kontext dieser zunehmend komplexen globalen Dynamiken zu bewerten.

Laut dem OECD Economic Outlook 2025 bleibt die wirtschaftliche Entwicklung in vielen Regionen fragil. Die Inflation geht nur ungleichmäßig zurück, die Staatsverschuldung ist hoch, und die Zinsen bleiben auf einem erhöhten Niveau – mit langfristigen Auswirkungen auf Versicherer und Pensionskassen. Diese wirtschaftliche Unsicherheit erfordert anspruchsvolle Risikomodelle, die über historische Daten hinausgehen. Die Szenarioanalyse wird zunehmend explorativ und narrativ geprägt – sie verbindet quantitative Genauigkeit mit geopolitischem Kontext.

Auch der SONAR 2025 Report von Swiss Re verdeutlicht: Die Versicherungsbranche tritt in eine Phase struktureller Veränderungen ein. Risiken wie instabile Lieferketten, Ressourcenknappheit und Migrationsbewegungen sind keine kurzfristigen Störungen, sondern langfristige strukturelle Kräfte. Aktuar:innen erweitern ihre Modelle daher gezielt, um systemische Schwachstellen und Resilienz unter tiefgreifender Unsicherheit abzubilden. Zukünftig steht nicht die Vorhersage des nächsten Schocks im Mittelpunkt, sondern die Frage, wie robust Institutionen in einer volatilen Welt aufgestellt sind.
Ein besonders bemerkenswerter Wandel betrifft den zunehmenden Fokus auf qualitative Erkenntnisse. Wie ein aktueller Beitrag des Institute and Faculty of Actuaries (IFoA) zeigt, beschäftigen sich Aktuar:innen immer stärker mit geopolitischer Intelligenz, ethischen Fragestellungen und den Perspektiven verschiedenster Stakeholder. Ziel ist es nicht nur, Risiken zu quantifizieren, sondern auch ihre Ursachen und Auswirkungen in unterschiedlichen Kontexten zu verstehen.

Die Profession ist zudem verstärkt in interdisziplinären Teams aktiv und wirkt bei der Entwicklung unternehmensweiter Resilienzstrategien mit. Dazu zählen etwa die Festlegung von Kapitalpuffern, Beratung zu nachhaltigen Anlagestrategien oder die Mitwirkung bei der Szenarioplanung auf Vorstandsebene. Parallel dazu gewinnen Kommunikationsfähigkeiten an Bedeutung: Die Fähigkeit, Unsicherheiten, Modellannahmen und die Folgen von Extremszenarien verständlich zu vermitteln, ist entscheidend, um fundierte Entscheidungen im Top-Management zu ermöglichen.

In der heutigen global vernetzten und disruptiven Welt sind Aktuar:innen längst nicht mehr nur technische Expert:innen. Sie sind Übersetzer:innen von Risiken, Ermöglicher:innen von Resilienz und Gestalter:innen langfristiger Denkweisen. Ihre sich wandelnde Rolle ist essenziell, um Organisationen nicht durch Eliminierung von Unsicherheit, sondern durch vorausschauende Vorbereitung sicher durch komplexe Zeiten zu führen.

Quellen

  1. Institute and Faculty of Actuaries (IFoA): Navigating Geopolitical Risks: How Actuaries Can Help Organisations Prepare for an Uncertain World
  2. OECD: Economic Outlook, Volume 2025 Issue 1
  3. Swiss Re Institute: SONAR 2025 – Structural risks, challenges and opportunities for the insurance industry